Zwischen Krise und Innovation

Trendteam-Chef Ralf Müller präsentiert Sideboards mit dem patenierten Klicksystem für den Zusammenbau ohne Werkzeug. Foto: Oliver Horst

 

Bad Salzuflen

Auch die Möbelbranche leidet in Zeiten hoher Inflation unter Kaufzurückhaltung der Kunden – bei der Möbelordermesse Westfalen (MOW) in Bad Salzuflen ist zwar in Gesprächen von Krise zu hören, aber wenig zu sehen.

Von Oliver Horst


Mit 524 Ausstellern aus 40 Ländern sind die zur Verfügung stehenden 85.000 Quadratmeter in den Messehallen komplett ausgebucht – und das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht. Die Zahl der erwarteten 10.000 Fachbesucher an den fünf Tagen der bis Donnerstag (21. September 2023) andauernden Messe ist eher noch gestiegen.


Wir haben in der Pandemie-Zeit Besucher hinzugewonnen, weil wir damals eine der wenigen Möbelmessen waren, die noch veranstaltet wurden. So sind auch einige Besucher aus Übersee erstmals auf uns aufmerksam geworden und kommen nun jedes Jahr wieder“, sagt Messechef Andreas Reibchen. Das gelte vor allem für Einkäufer aus den USA, Japan oder arabischen Ländern. „Die MOW ist noch einmal deutlich internationaler geworden“, sagt Reibchen.

Viele Gäste und Aussteller aus dem Ausland

Ausländische Gäste machen inzwischen 40 Prozent der Messebesucher aus – bei den Ausstellern ist das Verhältnis genau andersherum, haben 60 Prozent der Firmen ihren Sitz außerhalb Deutschlands. 40 Aussteller wiederum haben ein Heimspiel, stammen aus OWL.

Dazu zählen auch die Möbelhandelsfirmen Trendteam und Inter-Furn aus Steinheim im Kreis Höxter. Geschäftsführender Gesellschafter Ralf Müller will die Lage nicht schönreden. „Die Läger sind bei vielen Händlern voll, Kaufzurückhaltung ist nicht nur in Deutschland, sondern auch vielen anderen Ländern zu spüren.“

Baukrise trifft auch Wohnmöbelbranche

Wie auch die Küchenbauer leide die gesamte Möbelbranche speziell in Deutschland unter der Baukrise. Denn jede Wohnung, die nicht gebaut wird, muss auch nicht eingerichtet werden. Löst sich der Bau-Stau auf, würde das einen Schub geben, sagt Müller. Er hofft auf entsprechende Weichenstellungen der Politik.

Bis dahin setzt Müller mit seinen Unternehmen und 60 Mitarbeitern auf ein breites Angebot an Möbeln von der Garderobe über den Esstisch und Badschrank bis zum Kinderzimmer. Und auf alle Absatzkanäle vom großen Möbelhaus über Versandhändler bis zu Online-Marktplätzen und Direktvertrieb.

Steinheimer Firma setzt auf Möbelaufbau ohne Werkzeug

„Wir entwickeln unsere Produkte in Steinheim und lassen sie nach unseren Vorgaben dann in aller Welt produzieren“, sagt Müller. Auch der Absatz werde internationaler, knapp ein Viertel der Produkte gehe inzwischen ins Ausland. In Spitzenjahren setzt Müller mit seinen Firmen mehr als 100 Millionen Euro um, aktuell weniger. Ein Hoffnungsträger sind die neuen „Clickfurniture“ nach schwedischem Patent. „Die Möbel lassen sich ohne Werkzeug aufbauen, müssen einfach nur zusammengesteckt werden“, sagt Müller.

Wohnmöbelhersteller mit starkem Umsatzrückgang

Besonderes und Neuheiten wie diese suchen die Einkäufer, sagt Reibchen. Die Branche braucht neue Impulse, nachdem im ersten Halbjahr die Herstellerumsätze mit Wohn- und sonstigen Möbeln mit rund 3 Milliarden Euro um fast 10 Prozent unter dem Vorjahreswert lagen, wie die Möbelindustrie mitteilt. Die deutschen Wohnmöbelhersteller kämpfen seit Mitte 2022 mit Auftragsrückgängen im zweistelligen Prozentbereich.

Die gesamte deutsche Möbelindustrie erlöste in den ersten sechs Monaten knapp 9,5 Milliarden Euro – das war ein minimaler Rückgang zum Vorjahr. Angesichts zwischenzeitlicher Preiserhöhungen wird damit ein mengenmäßiger Absatzrückgang offensichtlich.